V o r w o r t

 

Die Anekdote besitzt ein zähes Leben, gleichgültig, ob sie im Einzelfall exakt historisch belegt oder auch nur mit Freude und Frohsinn erdichtet und nacherzählt ist. Jedenfalls greift die Geschichte der Anekdote weit zurück: „Anekdota“ betitelte schon der spätantike Historiker Prokopios von Caesarea (* um 500, † um 562 n. Chr.) seine amüsanten Geheim-Geschichtchen über die Regierung Justinians I. An dessen Hof passierten unter dem Einfluss seiner Gemahlin Theodora, ehemals eine wegen ihrer Sittenlosigkeit berüchtigte Schauspielerin, ebenso skandalöse wie auch skurrile Vorfälle, die Prokopios im Gegensatz zu seiner offiziellen Geschichte über die Ära dieses oströmischen Kaisers erstmals schriftlich herausgegeben hat. Daher wählte er dazu das griechische Wort ‚An-ék-dota’, was soviel bedeutet wie „noch nicht Herausgegebenes“, also sozusagen „Unveröffentlichtes“.

 

So wurden auch die meisten in diesem Büchlein gesammelten Anekdoten mit starkem Worms-Lokal-Bezug bisher noch nicht veröffentlicht. Sie wurden halt jeweils weiter erzählt, vielleicht hier und da von verschiedenen Autoren mit mehr oder weniger ausschmückender Abweichung von der ursprünglichen Begebenheit an die Zuhörer „transportiert“. Nun sollen diese Anekdoten mit dem Anliegen nachlesbar werden, durch Freude, Frohsinn und Lachen den Leser etwas vom grauen Alltag abzulenken. Keine ätzenden Witze sind hier versammelt, sondern vielmehr Anekdoten von Menschen für Menschen, die sich ein Gespür für herzhaften Humor bewahrt haben. Der Leser soll dabei immer schmunzeln, aber auch oft hell lachen, wenn er mit den beiden Autoren durch den blumengeschmückten Garten erfrischenden Humors schlendert.

 

Ja, und nicht zuletzt geht es bei diesen Anekdoten um Menschen, die in Worms oder in nächster Nachbarschaft gelebt haben oder noch leben, die oftmals Persönlichkeiten von Rang und Namen gewesen sind und die auch in der Erinnerung von Anekdoten fortleben. Gibt es doch nicht selten die Lebenserfahrung, dass die Unsterblichkeit einer Persönlichkeit von dem Kranz der Anekdoten abhängt, den die Nachwelt um sie gewunden hat.

 

Aber auch die in den Anekdoten namentlich nicht konkret benannten einstigen Wormser und „Wonnegauer“ sollen dem Leser als Originale ihrer Zeit begegnen, von denen es in der „modernen Welt von heute“ anscheinend immer weniger gibt. Sie sollen hier und heute mit ihrer ehemaligen pointierten, anekdotischen Aussage dem Leser näher gebracht werden. Und dies nicht nur, um zu schmunzeln oder sogar herzhaft zu lachen, sondern auch um einmal innezuhalten, um still darüber nachzudenken, was und wie unsere „Alt-Vorderen“ in ihrem Alltag gedacht und gesprochen haben. Manches hat dabei sogar einen philosophischen Anflug: Lehrte doch schon der griechische Philosoph Epikur (*341, † 271 v. Chr.), dass es ein Glück des Lebens sei, „zu lachen und zu philosophieren“. Wenn die folgenden Anekdoten dazu anregen, so ist das nicht wenig.

 

Gleichermaßen gilt dies auch für die Schwänke, die in diesem Bändchen entweder für sich alleine stehen oder mit den Anekdoten innig und geradezu nahtlos verflochten sind. Hat sich doch der Schwank aus dem niederhochdeutschen „Schwang“ in der ursprünglichen Bedeutung von „Schlag, Fechthieb“ im 15. Jahrhundert in der Bedeutung von „lustiger Einfall oder Streich“ entwickelt und im 16. Jahrhundert in blühender Form zu derb-komischen Kurzerzählungen erweitert. Vor allem seit dem 19. Jahrhundert erhielten Schwänke schließlich sogar den „Rang“ für possenartige Bühnenstücke. Die Autoren überlassen es gern den Lesern, welchen Rang sie den hier nacherzählten Schwänken einräumen. Hauptanliegen soll dabei wie auch bei den Anekdoten ein herzerfrischendes Lachen als „wohlgemeinte Medizin für den grauen Alltag“ sein!

 

Die integrierten Illustrationen und Fotos sollen den Text bewusst unterbrechen und zum gedanklichen Verweilen einladen. Sie sollen gleichsam Rastplätze während des Lesens bieten. Möge so der geneigte Leser Lust bekommen, durch den „Wormser Garten der Anekdoten und Schwänke“ zu bummeln, den er während des Alltags immer wieder gerne aufsuchen sollte. Denn auch dies ist ein Anliegen der beiden Autoren.

 

Worms, im Herbst 2010

                                                            Felix Zillien

 

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