12. Änderungen von Rebsortennamen – 2 Beispiele

 

Dr. Wagner-Rebe/Scheurebe

 

Die weiße Rebsorte wurde im Jahre 1916 von Georg Scheu (* 21.6.1879 in Krefeld, † 2.11.1949 in Alzey) an der Landesanstalt für Rebenzüchtung in Alzey (Rheinhessen) aus Silvaner x Riesling gezüchtet. Gemäß einer Ende der 1990er-Jahre durchgeführten DNA-Analyse soll zwar Riesling die Vatersorte, jedoch eine unbekannte Wildrebe die Muttersorte sein.

Georg Scheu (1879-1949)

nach einer Zeichnung von Ellen Rogler

Quelle: 1250 Jahre Pfeddersheim in Bildern, Geschichten & …,

hg. im Auftrag des Ortsvorstehers Worms-Pfeddersheim

vom Stadtarchiv Worms, Geiger-Verlag, Orb am Neckar, 2004

 

Die Sorte hieß zunächst Sämling 88 oder kurz S 88. Mitte der 1930er Jahre bekam sie den Namen „Dr. Wagner-Rebe“, benannt nach dem damaligen Landesbauernführer von Hessen-Nassau Dr. Richard Wagner. Rheinhessen gehörte damals zu Hessen. Nach dem 2. Weltkrieg wollte man die Rebsorte nicht mehr nach einem Bauernführer aus dem 3. Reich nennen und sie hieß wieder zunächst Sämling 88 bzw. S 88. Demzufolge handelt es hierbei um die einzige Rebsorte, die entnazifiziert wurde. Ihren endgültigen Namen erhielt sie erst nach dem Tod von Georg Scheu. Schon zu seinen Lebzeiten wollte man dieser Sorte den Namen „Scheus Liebling“ geben – was durchaus gerechtfertigt gewesen wäre. Dies wollte er nicht bzw. lehnte es ab. Da er sehr lange in Rheinhessen wirkte und lebte, war er mit dem dortigen Dialekt bestens vertraut; und in dieser Mundart wird ein hochdeutsches „eu“ meist zu einem „ei“. Er befürchtete daher, dass es umgangssprachlich bei diesem Namen zu Missverständnissen gekommen wäre. In den 1950er Jahren kam es dann auch endgültig zu dem Namen Scheurebe, unter dem die Sorte auch beim Bundessortenamt geführt wird. Der Sortenschutz wurde im Jahre 1956 erteilt. In Österreich, vor allem in der Steiermark, ist die Sorte auch heute noch als „Sämling 88“ oder kurz „S 88“ zu finden.

 

Dr. Richard Eugen Wilhelm Wagner (* 2.12.1902 in Colmar, † 14.7.1973 in Darmstadt) war ein deutscher Agraringenieur und hegte bereits in der Zeit der Weimarer Republik Sympathien für den Nationalsozialismus. Nach dem Abitur im März 1920 studierte er an der Technischen Hochschule München Landwirtschaft. 1923 legte er die Diplomprüfung ab; im selben Jahr promovierte er. Er war ab 1930 Mitglied der NSDAP. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ nahm Wagner eine Reihe bedeutender Funktionen in der Parteiorganisation und im Rahmen der nationalsozialistischen Agrarpolitik wahr. So war er Landesbauernführer in Hessen-Nassau und Landesbauernpräsident in der hessischen Landesregierung. Im Juli 1932 und März 1933 wurde Wagner als Kandidat der NSDAP für den Wahlkreis 33 (Hessen-Darmstadt) in den Reichstag gewählt, dem er in der Folge während der gesamten Dauer der nationalsozialistischen Herrschaft angehörte. Während des 2. Weltkrieges war er zunächst in der Verwaltung tätig und wurde 1943 Mitglied der Waffen-SS. Wagner galt seinen Vorgesetzten als „vielseitig interessiert und kultiviert“ und wurde eher als „realistischer Agrarpolitiker“ denn als „Blut-und-Boden-Ideologe“ eingeschätzt.

 

Rotburger/Zweigelt

 

Die Kreuzung der roten Rebsorte erfolgte im Jahre 1922 aus St. Laurent x Lemberger durch Dr. Fritz Zweigelt (1888-1964). Er war Direktor der Bundesversuchsanstalt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg in Niederösterreich (1938-1945) und nannte diese Züchtung „Rotburger“. Erst 1975 wurde sie im Zuge der Qualitätsweinrebsorten-Verordnung in „Zweigelt“ umbenannt. Heute ist sie die häufigste rote Rebsorte in Österreich und wird seit einiger Zeit u.a. auch in England angebaut. Die Eintragung in die deutsche Sortenliste erfolgte 1998.

 

Dr. Friedrich „Fritz“ Zweigelt (* 13. Januar 1888 in Hitzendorf bei Graz; † 18. September 1964 in Graz) war ein österreichischer Botaniker, Entomologe und Rebenzüchter. Nach dem Abitur (Matura) studierte er 1907 Naturwissenschaften an der Universität Graz, vorzüglich Botanik, Zoologie und Mineralogie, daneben Mathematik und Physik. 1911 promovierte er mit einer botanischen Arbeit und war bis 1912 Assistent am Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Graz. 1912 begann seine Tätigkeit an der Höheren Lehranstalt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg bei Wien. Schon vor dem „Anschluss Österreichs“ 1938 war Zweigelt illegaler Nationalsozialist. 1938 übernahm er die Leitung der o.a. Weinbauschule – sein Vorgänger wurde zwangspensioniert – und ließ einen Schüler als Mitglied einer Widerstandsgruppe der Gestapo ausliefern. Nach Kriegsende wurde Zweigelt die Direktorenstelle und seine 1943 verliehene Dozentur an der Hochschule für Bodenkultur entzogen.

Das Verzeichnis seiner Originalarbeiten beläuft sich auf 567 Veröffentlichungen, darunter 5 Bücher; sie umfassen u.a. folgende Gebiete: Allgemeine Botanik (5), Allgemeine Entomologie (11), Angewandte Entomologie (34), Blattlausphysiologie einschließlich Reblaus, Gallenforschung, Immunität und Immunitätszüchtung (26) und Maikäfer (34).

1963 veröffentlichte er eine Autobiografie, in der er wenig Einsicht bezüglich seiner Vergangenheit erkennen ließ. 2002 wurde zur Prämierung österreichischer Weine der „Dr. Zweigelt-Preis“ mit einer Porträt-Medaille eingeführt.

 

Quellen:

-  Mäurer, Janina; Keil, Hartmut – 100 seltene Rebsorten in Rheinhessen und der Pfalz, Edition Tintenfaß, Neckarsteinach, 2008

-  http://wapedia.mobi/de/Richard_Wagner_%28NSDAP%29

-  http://wapedia.mobi/de/Fritz_Zweigelt

-  http://www.springerlink.com/content/h3427k4770425703/

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